2. Es treibt mich hin
Author(s): Heinrich Heine Es treibt mich hin, es treibt mich her!
Noch wenige Stunden, dann soll ich sie schauen,
sie selber, die schönste der schönen Jungfrauen; -
du treues Herz, was pochst du so schwer!
Die Stunden sind aber ein faules Volk!
Schleppen sich behaglich träge,
schleichen gähnend ihre Wege; -
tummle dich, du faules Volk!
Tobende Eile mich treibend erfaßt!
Aber wohl niemals liebten die Horen; -
heimlich im grausamen Bunde verschworen,
spotten sie tückisch der Liebenden Hast.
3. Ich wandelte unter den Bäumen
Author(s): Heinrich Heine Ich wandelte unter den Bäumen
mit meinem Gram allein;
da kam das alte Träumen
und schlich mir ins Herz hinein.
Wer hat euch dies Wörtlein gelehret,
ihr Vöglein in luftiger Höh'?
Schweigt still! wenn mein Herz es höret,
dann tut es noch einmal so weh.
"Es kam ein Jungfräulein gegangen,
die sang es immerfort,
da haben wir Vöglein gefangen
das hübsche, goldne Wort."
Das sollt ihr mir nicht mehr erzählen,
Ihr Vöglein wunderschlau;
ihr wollt meinem Kummer mir stehlen,
ich aber niemandem trau'.
4. Lieb' Liebchen
Author(s): Heinrich Heine Lieb' Liebchen, leg's Händchen aufs Herze mein; -
ach, hörst du, wie's pochet im Kämmerlein?
da hauset ein Zimmermann schlimm und arg,
der zimmert mir einen Totensarg.
Es hämmert und klopfet bei Tag und bei Nacht;
es hat mich schon längst um den Schlaf gebracht.
Ach! sputet euch, Meister Zimmermann,
damit ich balde schlafen kann.
5. Schöne Wiege meiner Leiden
Author(s): Heinrich Heine Schöne Wiege meiner Leiden,
schönes Grabmal meiner Ruh',
schöne Stadt, wir müssen scheiden, -
Lebe wohl! ruf' ich dir zu.
Lebe wohl, du heil'ge Schwelle,
wo da wandelt Liebchen traut;
lebe wohl! du heil'ge Stelle,
wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt' ich dich doch nie gesehen,
schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär' es dann geschehen,
daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt' ich dein Herze rühren,
Liebe hab' ich nie erfleht;
nur ein stilles Leben führen
wollt' ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen,
bittre Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
und mein Herz ist krank und wund.
Und die Glieder matt und träge
schlepp' ich fort am Wanderstab,
bis mein müdes Haupt ich lege
ferne in ein kühles Grab.
6. Warte, warte wilder Schiffmann
Author(s): Heinrich Heine Warte, warte, wilder Schiffmann,
gleich folg' ich zum Hafen dir;
von zwei Jungfraun nehm' ich Abschied,
von Europa und von ihr.
Blutquell, rinn' aus meinen Augen,
Blutquell, brich aus meinem Leib,
daß ich mit dem heißen Blute
meine Schmerzen niederschreib'.
Ei, mein Lieb, warum just heute
schaudert's dich, mein Blut zu sehn?
Sahst mich bleich und herzeblutend
lange Jahre vor dir stehn!
Kennst du noch das alte Liedchen
von der Schlang' im Paradies,
die durch schlimme Apfelgabe
unsern Ahn ins Elend stieß.
Alles Unheil brachten Äpfel!
Eva bracht' damit den Tod,
Eris brachte Trojas Flammen,
du brachst'st beides, Flamm' und Tod.
7. Berg' und Burgen schaun herunter
Author(s): Heinrich Heine Berg' und Burgen schaun herunter
in den spiegelhellen Rhein,
und mein Schiffchen segelt munter,
rings umglänzt von Sonnenschein.
Ruhig seh' ich zu dem Spiele
goldner Wellen, kraus bewegt;
still erwachen die Gefühle,
die ich tief im Busen hegt'.
Freundlich grüssend und verheißend
lockt hinab des Stromes Pracht;
doch ich kenn' ihn, oben gleißend,
birgt sein Innres Tod und Nacht.
Oben Lust, im Busen Tücken,
Strom, du bist der Liebsten Bild!
Die kann auch so freundlich nicken,
lächelt auch so fromm und mild.
9. Mit Myrten und Rosen
Author(s): Heinrich Heine Mit Myrten und Rosen, lieblich und hold,
mit duft'gen Zypressen und Flittergold,
möcht' ich zieren dies Buch wie 'nen Totenschrein,
Und sargen meine Lieder hinein.
O könnt' ich die Liebe sargen hinzu!
Am Grabe der Liebe wächst Blümlein der Ruh',
da blüht es hervor, da pflückt man es ab, -
doch mir blüht's nur, wenn ich selber im Grab.
Hier sind nun die Lieder, die einst so wild,
wie ein Lavastrom, der dem Ätna entquillt,
Hervorgestürtzt aus dem tiefsten Gemüt,
und rings viel blitzende Funken versprüht!
Nun liegen sie stumm und totengleich,
nun starren sie kalt und nebelbleich,
doch aufs neu die alte Glut sie belebt,
wenn der Liebe Geist einst über sie schwebt.
Und es wird mir im Herzen viel Ahnung laut:
der Liebe Geist einst über sie taut;
einst kommt dies Buch in deine Hand,
du süßes Lieb im fernen Land.
Dann löst sich des Liedes Zauberbann,
die blaßen Buchstaben schaun dich an,
sie schauen dir flehend ins schöne Aug',
und flüstern mit Wehmut und Liebeshauch.
