1. Der Genesene an die Hoffnung
Author(s): Eduard Mörike Tödtlich graute mir der Morgen:
Doch schon lag mein Haupt, wie süß!
Hoffnung, dir im Schoß verborgen,
bis der Sieg gewonnen hieß,
bis der Sieg gewonnen hieß.
Opfer bracht' ich allen Göttern,
Doch vergessen warest du;
Seitwärts von den ew'gen Rettern
Sahest du dem Feste zu.
O, vergieb, du Vielgetreue!
Tritt aus deinem Dämmerlicht,
Daß ich dir in's ewig neue,
Mondenhelle Angesicht
Einmal schaue, recht von Herzen,
Wie ein Kind und sonder Harm;
Ach, nur Einmal ohne Schmerzen
schließe mich in deinen Arm!
2. Der Knabe und das Immlein
Author(s): Eduard Mörike Im Weinberg auf der Höhe
ein Häuslein steht so winde bang;
hat weder Tür noch Fenster,
die Weile wird ihm lang.
Und ist der Tag so schwüle,
sind all' verstummt die Vögelein,
summt an der Sonnenblume
ein Immlein ganz allein.
Lieb hat einen Garten,
da steht ein hübsches Immenhaus:
kommst du daher geflogen?
schickt sie dich nach mir aus?
O nein, du feiner Knabe,
es hieß mich Niemand Boten gehn;
dieses Kind weiß nichts von Lieben,
hat dich noch kaum gesehn.
Was wüßten auch die Mädchen,
wenn sie kaum aus der Schule sind!
Dein herzallerliebstes Schätzchen
ist noch ein Mutterkind.
Ich bring' ihm Wachs und Honig; ade!
ich hab' ein ganzes Pfund;
wie wird das Schätzchen lachen,
ihm wässert schon der Mund -
Ach, wolltest du ihr sagen,
ich wüßte, was viel süßer ist:
nichts Lieblichers auf Erden
als wenn man herzt und küßt!
3. Ein Stündlein wohl vor Tag
Author(s): Eduard Mörike Derweil ich schlafend lag,
Ein Stündlein wohl vor Tag,
Sang vor dem Fenster auf dem Baum
Ein Schwälblein mir, ich hört es kaum
Ein Stündlein wohl vor Tag.
"Hör an, was ich dir sag,
Dein Schätzlein ich verklag:
Derweil ich dieses singen tu
Herzt er ein Lieb in guter Ruh,
Ein Stündlein wohl vor Tag."
O weh! nicht weiter sag!
O still! nichts hören mag!
Flieg ab, flieg ab von meinem Baum!
Ach, Lieb und Treu ist wie ein Traum
Ein Stündlein wohl vor Tag.
5. Der Tambour
Author(s): Eduard Mörike Wenn meine Mutter hexen könnt',
da müßt' sie mit dem Regiment,
nach Frankreich, überall mit hin,
und wär' die Marketenderin.
Im Lager wohl um Mitternacht,
wenn Niemand auf ist als die Wacht,
und Alles schnarchet, Roß und Mann,
vor meiner Trommel säß' ich dann:
Die Trommel müßt' eine Schüßel sein;
ein warmes Sauerkraut darein;
die Schlegel, Messer und Gabel,
eine lange Wurst mein Sabel,
Mein Tschako wär' ein Humpen gut,
den füll' ich mit Burgunderblut.
Und weil es mir an Lichte fehlt,
da scheint der Mond in mein Gezelt:
Scheint er auch auf Franzö'sch herein,
mir fällt doch meine Liebste ein:
ach weh! ach weh! ach weh! weh!
jetzt hat der Spaß ein End'!
Wenn nur meine Mutter hexen könnt'!
Wenn meine Mutter hexen könnt'!
7. Das verlassene Mägdlein
Author(s): Eduard Mörike Früh, wann die Hähne kräh'n,
Eh' die Sternlein schwinden,
Muß ich am Herde stehn,
Muß Feuer zünden.
Schön ist der Flammen Schein,
Es springen die Funken.
Ich schaue so darein,
in Leid versunken.
Plötzlich, da kommt es mir,
Treuloser Knabe,
Daß ich die Nacht von dir
Geträumet habe.
Träne auf Träne dann
Stürzet hernieder;
So kommt der Tag heran -
O ging er wieder!
8. Begegnung
Author(s): Eduard Mörike Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!
Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
das halb verschüchtert um sich sieht;
wie Rosen, die der Wind zerblasen,
so unstet ihr Gesichtchen glüht.
Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
er will ihr voll Entzücken nahn:
wie sehn sich freudig und verlegen
die ungewohnten Schelme an!
Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
die Zöpfe schon zurecht gemacht,
die heute Nacht im offnen Stübchen
ein Sturm in Unordnung gebracht.
Der Bursche träumt noch von den Küßen,
die ihm das süße Kind getauscht,
er steht, von Anmut hingerissen,
derweil sie um die Ecke rauscht.
9. Nimmersatte Liebe
Author(s): Eduard Mörike So ist die Lieb'! So ist die Lieb'!
Mit Küßen nicht zu stillen:
Wer ist der Tor und will ein Sieb
Mit eitel Wasser füllen?
Und schöpfst du an die tausend Jahr;
Und küßest ewig, ewig gar,
Du tust ihr nie zu Willen.
Die Lieb', die Lieb' hat alle Stund'
Neu wunderlich Gelüsten;
Wir bißen uns die Lippen wund,
Da wir uns heute küßten.
Das Mädchen hielt in guter Ruh',
wie's Lämmlein unter'm Messer;
ihr Auge bat: nur immer zu,
Je weher desto beßer!
So ist die Lieb', und war auch so,
wie lang es Liebe giebt,
Und anders war Herr Salomo,
Der Weise, nicht verliebt.
10. Fußreise
Author(s): Eduard Mörike Am frischgeschnittnen Wanderstab,
Wenn ich in der Frühe
So durch Wälder ziehe,
Hügel auf und ab:
Dann, wie's Vöglein im Laube
Singet und sich rührt,
Oder wie die gold'ne Traube
Wonnegeister spürt
In der ersten Morgensonne:
So fühlt auch mein alter, lieber
Adam Herbst und Frühlingsfieber,
Gottbeherzte,
Nie verscherzte
Erstlings Paradiseswonne.
Also bist du nicht so schlimm, o alter
Adam, wie die strengen Lehrer sagen;
Liebst und lobst du immer doch,
Singst und preisest immer noch,
Wie an ewig neuen Schöpfungstagen,
Deinen lieben Schöpfer und Erhalter.
Möcht' es dieser geben
Und mein ganzes Leben
Wär' im leichten Wanderschweiße
Eine solche Morgenreise!
11. An eine Äolsharfe
Author(s): Eduard Mörike Angelehnt an die Efeuwand
Dieser alten Terrasse,
Du, einer luftgebor'nen Muse
Geheimnisvolles Saitenspiel,
Fang' an,
Fange wieder an
Deine melodische Klage!
Ihr kommet, Winde, fern herüber,
Ach! von des Knaben,
Der mir so lieb war,
Frischgrünendem Hügel.
Und Frühlingsblüten unterwegs streifend,
Übersättigt mit Wohlgerüchen,
Wie süß, wie süß bedrängt ihr dies Herz!
Und säuselt her in die Saiten,
Angezogen von wohllautender Wehmut,
Wachsend im Zug meiner Sehnsucht,
Und hinsterbend wieder.
Aber auf einmal,
Wieder Wind heftiger herstößt,
Ein holder Schrei der Harfe
Wiederholt mir zu süßem Erschrecken
Meiner Seele plötzliche Regung,
Und hier, die volle Rose streut geschüttelt
All' ihre Blätter vor meine Füße!
12. Verborgenheit
Author(s): Eduard Mörike Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Laßt dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!
Was ich traure, weiß ich nicht,
Es ist unbekanntes Wehe;
Immerdar durch Tränen sehe
Ich der Sonne liebes Licht.
Oft bin ich mir kaum bewußt,
Und die helle Freude zücket
Durch die Schwere, so mich drücket,
Wonniglich in meiner Brust.
Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Laßt dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!
13. Im Frühling
Author(s): Eduard Mörike Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel;
die Wolke wird mein Flügel,
ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag' mir, all einzige Liebe,
wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.
Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
sehnend,
sich dehnend
in Lieben und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wenn werd' ich gestillt?
Die Wolke seh' ich wandeln und den Fluß,
es dringt der Sonne goldner Kuß
mir tief bis in's Geblüt hinein;
die Augen, wunderbar berauschet,
tun, als schliefen sie ein,
nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.
Ich denke Diess und denke Das,
ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
halb ist es Lust, halb ist es Klage:
mein Herz, o sage,
was webst du für Erinnerung
in golden grünen Zweige Dämmerung?
Alte unnennbare Tage!
14. Agnes
Author(s): Eduard Mörike Rosenzeit! wie schnell vorbei,
schnell vorbei bist du doch gegangen!
Wär mein Lieb' nur blieben treu,
sollte mir nicht bangen.
Um die Ernte wohlgemut,
wohlgemut Schnitterrinnen singen.
Aber, ach! mir kranken Blut,
will nichts mehr gelingen.
Schleiche so durch's Wiesental,
so durch's Tal, als im Traum verloren,
nach dem Berg, da tausendmal,
er mir Treu' geschworen.
Oben auf des Hügels Rand, abgewandt,
wein' ich bei der Linde;
an dem Hut mein Rosenband,
von seiner Hand,
spielet in dem Winde.
15. Auf einer Wanderung
Author(s): Eduard Mörike In ein freundliches Städtchen tret' ich ein,
in den Straßen liegt roter Abendschein.
Aus einem offnen Fenster eben,
über den reichsten Blumenflor
hinweg, hört man Goldglockentöne schweben,
und eine Stimme scheint ein Nachtigallenchor,
daß die Blüten beben,
daß die Lüfte leben,
daß in höherem Rot die Rosen leuchten vor.
Lang hielt ich staunend, lustbeklommen.
Wie ich hinaus vor's Tor gekommen,
ich weiß es wahrlich selber nicht.
Ach hier, wie liegt die Welt so licht!
Der Himmel wogt in purpurnem Gewühle,
rückwärts die Stadt in goldnem Rauch:
wie rauscht der Erlenbach,
wie rauscht im Grund die Mühle,
ich bin wie trunken, irrgeführt
o Muse, du hast mein Herz berührt
mit einem Liebeshauch!
16. Elfenlied
Author(s): Eduard Mörike Bei Nacht im Dorf der Wächter rief: Elfe!
Ein ganz kleines Elfchen im Walde schlief
wohl um die Elfe!
Und meint, es rief ihm aus dem Tal
bei seinem Namen die Nachtigall,
oder Silpelit hätt' ihm gerufen.
Reibt sich der Elf' die Augen aus,
begibt sich vor sein Schneckenhaus
und ist als wie ein trunken Mann,
sein Schläflein war nicht voll getan,
und humpelt also tippe tapp
durch's Haselholz in's Tal hinab,
schlupft an der Mauer hin so dicht,
da sitzt der Glühwurm Licht an Licht.
»Was sind das helle Fensterlein?
Da drin wird eine Hochzeit sein:
die Kleinen sitzen bei'm Mahle,
und treiben's in dem Saale.
Da guck' ich wohl ein wenig 'nein!«
Pfui, stößt den Kopf an harten Stein!
Elfe, gelt, du hast genug?
Gukuk!
17. Der Gärtner
Author(s): Eduard Mörike Auf ihrem Leibrößlein
So weiß wie der Schnee,
Die schönste Prinzessin
Reit't durch die Allee.
Der Weg, den das Rößlein
Hintanzet so hold,
Der Sand, den ich streute,
Er blinket wie Gold!
Du rosenfarb's Hütlein
Wohl auf und wohl ab,
O wirf eine Feder,
Verstohlen herab!
Und willst du dagegen
Eine Blüte von mir,
Nimm tausend für eine,
Nimm alle dafür!
19. Um Mitternacht
Author(s): Eduard Mörike Gelassen stieg die Nacht an's Land,
lehnt träumend an der Berge Wand,
ihr Auge sieht die goldne Wage nun
der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
und kecker rauschen die Quellen hervor,
sie singen der Mutter, der Nacht, in's Ohr
vom Tage, vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied,
sie achtet's nicht, sie ist es müd';
ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
der flüchtgen Stunden gleichgeschwung'nes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
es singen die Wasser im Schlafe noch fort
vom Tage, vom heute gewesenen Tage.
20. Auf eine Christblume I
Author(s): Eduard Mörike Tochter des Walds, du Lilienverwandte,
so lang von mir gesuchte, unbekannte,
im fremden Kirchhof, öd' und winterlich,
zum ersten mal, o schöne, find' ich dich!
Von welcher Hand gepflegt du hier erblühtest,
ich weiß es nicht, noch Wessen Grab du hütest;
ist es ein Jüngling, so geschah ihm Heil,
ist's eine Jungfrau, lieblich fiel ihr Teil.
Im nächt'gen Hain, von Schneelicht überbreitet,
wo fromm das Reh an dir vorüber weidet,
bei der Kapelle, am krystall'nen Teich,
dort sucht' ich deiner Heimat zauberreich.
Schön bist du, Kind des Mondes, nicht der Sonne,
Dir wäre tödtlich andrer Blumen Wonne,
dicht nährt, den keuschen Leib voll Reif und Duft,
himmlischer Kälte balsam süße Luft.
In deines Busens goldner Fülle gründet
ein Wohlgeruch, der sich nur kaum verkündet;
so duftete, berührt von Engelshand,
der benedeiten Mutter Brautgewand.
Dich würden, mahnend an das heil'ge Leiden,
fünf Purpurtropfen schön und einzig kleiden:
Doch kindlich zierst du, um die Weihnachtszeit,
lichtgrün mit einem Hauch dein weißes Kleid.
Der Elfe, der in mitternächt'ger Stunde
zum Tanze geht im lichterhellen Grunde,
vor deiner mystischen Glorie steht er scheu
neugierig still von fern und huscht vorbei.
21. Auf eine Christblume II
Author(s): Eduard Mörike Im Winterboden schläft ein Blumenkeim
der Schmetterling, der einst um Busch und Hügel
in Frühlingsnächten wiegt den sammt'nen Flügel;
nie soll er kosten deinen Honigseim.
Wer aber weiß, ob nicht sein zarter Geist,
wenn jede Zier des Sommers hingesunken,
dereinst, von deinem leisen Duftetrunken,
mir unsichtbar, dich blühende umkreist?
23. Auf ein altes Bild
Author(s): Eduard Mörike In grüner Landschaft Sommerflor,
Bei kühlem Wasser, Schilf, und Rohr,
Schau, wie das Knäblein Sündelos
Frei spielet auf der Jungfrau Schoss!
Und dort im Walde wonnesam,
Ach, grünet schon des Kreuzes Stamm!
25. Schlafendes Jesuskind
Author(s): Eduard Mörike Sohn der Jungfrau, Himmelskind! am Boden,
Auf dem Holz der Schmerzen eingeschlafen,
Das der fromme Meister, sinnvoll spielend,
Deinen leichten Träumen unterlegte;
Blume du, noch in der Knospe dämmernd
Eingehüllt die Herrlichkeit des Vaters!
O wer sehen könnte, welche Bilder
Hinter dieser Stirne, diesen schwarzen
Wimpern sich in sanftem Wechsel malen!
[Sohn der Jungfrau, Himmelskind!]
26. Charwoche
Author(s): Eduard Mörike O Woche, Zeugin heiliger Beschwerde!
du stimmst so ernst zu dieser Frühlingswonne,
du breitest im verjüngten Strahl der Sonne
des Kreuzes Schatten auf die lichte Erde,
und senkest schweigend deine Flöre nieder;
der Frühling darf indessen immer keimen,
das Veilchen duftet unter Blütenbäumen
und alle Vöglein singen Jubellieder.
O schweigt, ihr Vöglein auf den grünen Auen!
es hallen rings die dumpfen Glockenklänge,
die Engel singen leise Grabgesänge;
o still, ihr Vöglein hoch im Himmelblauen!
Ihr Veilchen, kränzt heut keine Lockenhaare!
Euch pflückt mein frommes Kind zum dunklen Strausse,
ihr wandert mit zum Muttergotteshause,
da sollt ihr welken auf des Herrn Altare.
Ach dort, von Trauermelodieen trunken,
und süß betäubt von schweren Weihrauchdüften,
sucht sie den Bräutigam in Todesgrüften,
und Lieb' und Frühling, Alles ist versunken!
27. Zum neuen Jahr
Author(s): Eduard Mörike Wie heimlicher Weise
ein Engelein leise
mit rosigen Füßen
die Erde betritt,
so nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
ein heilig Willkommen!
ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In Ihm sei's begonnen,
der Monde und Sonnen
an blauen Gezelten
des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
sei Anfang und Ende,
sei alles gelegt!
30. Neue Liebe
Author(s): Eduard Mörike Kann auch ein Mensch des andern auf der Erde ganz,
Wie er möchte, sein?
In langer Nacht bedacht' ich mir's,
Und mußte sagen, nein!
So kann ich Niemands heißen auf der Erde,
Und Niemand wäre mein?
Aus Finsternißen hell in mir
aufzückt ein Freudenschein:
Sollt' ich mit Gott nicht können sein,
So wie ich möchte, mein und Dein?
Was hielte mich, daß ich's nicht heute werde?
Ein süßes Schrecken geht durch mein Gebein!
Mich wundert, daß es mir ein Wunder wollte sein,
Gott selbst zu eigen haben auf der Erde!
31. Wo find' ich Trost
Author(s): Eduard Mörike Eine Liebe kenn' ich, die ist treu,
war getreu, so lang ich sie gefunden,
hat mit tiefem Seufzen immer neu,
stets versöhnlich, sich mit mir verbunden.
Welcher einst mit himmlischem Gedulden
bitter bittern Todestropfen trank,
hing am Kreuz und büßte mein Verschulden,
bis es in ein Meer von Gnade sank.
Und was ist's nun, daß ich traurig bin,
daß ich angstvoll mich am Boden winde?
Frage: Hüter, ist die Nacht bald hin?
Und: was rettet mich von Tod und Sünde?
Arges Herze! Ja gesteh' es nur,
du hast wieder böse Lust empfangen;
frommer Liebe, frommer Treue Spur,
ach, das ist auf lange nun vergangen.
Ja, daß ist's auch, daß ich traurig bin,
daß ich angstvoll mich am Boden winde!
Hüter, Hüter, ist die Nacht bald hin?
Und was rettet mich von Tod und Sünde?
32. An die Geliebte
Author(s): Eduard Mörike Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt,
Mich stumm an deinem heilgen Wert vergnüge,
Dann hör ich recht die leisen Atemzüge
Des Engels, welcher sich in dir verhüllt.
Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt
Auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge,
Daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
Mein kühnster Wunsch, mein einzger, sich erfüllt?
Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn,
Ich höre aus der Gottheit nächtger Ferne
Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.
Betäubt kehr ich den Blick nach oben hin,
Zum Himmel auf - da lächeln alle Sterne;
Ich knie, ihrem Lichtgesang zu lauschen.
33. Peregrina I
Author(s): Eduard Mörike Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
ist wie von innerm Gold ein Wiederschein;
tief aus dem Busen scheint er's anzusaugen,
dort mag solch Gold in heil'gem Gram gedeihn.
In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen,
unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
reichst lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!
34. Peregrina II
Author(s): Eduard Mörike Warum, Geliebte, denk' ich dein
auf einmal nun mit tausend Tränen,
und kann gar nicht zufrieden sein,
und will die Brust in alle Weite dehnen?
Ach, gestern in den hellen Kindersaal,
bei'm Flimmer zierlich aufgesteckter Kerzen,
wo ich mein selbst vergaß in Lärm und Scherzen,
tratst du, o Bildniß mitleidschöner Qual;
es war dein Geist, ersetzte sich an's Mahl,
fremd saßen wir mit stummverhalt'nen Schmerzen;
zuletzt brach ich in lautes Schluchzen aus,
und Hand in Hand verließen wir das Haus.
37. Heimweh
Author(s): Eduard Mörike Anders wird die Welt mit jedem Schritt,
den ich weiter von der Liebsten mache;
mein Herz, das will nicht weiter mit.
Hier scheint die Sonne kalt in's Land,
hier däucht mir Alles unbekannt,
sogar die Blumen am Bache!
Hat jede Sache
So fremd eine Miene, so falsch ein Gesicht.
Das Bächlein murmelt wohl und spricht:
armer Knabe, komm bei mir vorüber,
siehst auch hier Vergißmeinnicht!
Ja, die sind schön an jedem Ort,
aber nicht wie dort.
Fort, nur fort!
Die Augen gehn mir über!
38. Lied vom Winde
Author(s): Eduard Mörike Sausewind, Brausewind!
dort und hier!
deine Heimat sage mir!
"Kindlein, wir fahren
seit viel vielen Jahren
durch die Welt, und möchten's erfragen,
die Antwort erjagen,
bei den Bergen, den Meeren,
bei des Himmels klingenden Heeren,
die wissen es nie.
Bist du klüger als sie,
magst du es sagen.
Fort, wohlauf!
Halt' uns nicht auf!
Kommen andre nach, unsre Brüder,
da frag' wieder."
Halt' an! Gemach,
eine kleine Frist!
Sagt, wo der Liebe Heimat ist,
ihr Anfang, ihr Ende?
"Wer's nennen könnte!
Schelmisches Kind,
Lieb' ist wie Wind,
rasch und lebendig,
ruhet nie,
ewig ist sie,
aber nicht immer beständig.
Fort! Wohlauf!
halt' uns nicht auf!
Fort über Stoppel und Wälder und Wiesen!
Wenn ich dein Schätzchen seh',
will ich es grüßen.
Kindlein, Ade!"
39. Denk' es, o Seele!
Author(s): Eduard Mörike Ein Tännlein grünet, wo,
Wer weiß! im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk' es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh'
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!
40. Der Jäger
Author(s): Eduard Mörike Drei Tage Regen fort und fort,
kein Sonnenschein zur Stunde;
drei Tage lang kein gutes Wort
aus meiner Liebsten Munde!
Sie trutzt mit mir und ich mit ihr,
so hat sie's haben wollen;
mir aber nagt's am Herzen hier,
das Schmollen und das Grollen.
Willkommen denn, des Jägers Lust,
Gewittersturm und Regen!
Fest zugeknöpft die heiße Brust,
und jauchzend euch entgegen!
Nun sitzt sie wohl daheim und lacht
und scherzt mit den Geschwistern;
ich höre in des Waldes Nacht
die alten Blätter flüstern.
Nun sitzt sie wohl und weinet laut
im Kämmerlein, in Sorgen;
mir ist es wie dem Wilde traut,
in Finsterniß geborgen.
Kein Hirsch und Rehlein überall!
Ein Schuß zum Zeit vertreibe!
Gesunder Knall und Wiederhall
erfrischt das Mark im Leibe. -
Doch wie der Donner nun verhallt
in Tälern, durch die Runde,
ein plötzlich Weh mich überwallt,
mir sinkt das Herz zu Grunde.
Sie trutzt mit mir und ich mit ihr,
so hat sie's haben wollen,
mir aber frißt's am Herzen hier,
das Schmollen und das Grollen.
Und auf! Und nach der Liebsten Haus!
und sie gefaßt um's Mieder!
"Drück' mir die naßen Locken aus,
und küß' und hab' mich wieder!"
41. Rat einer Alten
Author(s): Eduard Mörike Bin jung gewesen, kann auch mitreden,
und alt geworden, drum gilt mein Wort.
Schön reife Beeren am Bäumchen hangen:
Nachbar, da hilft kein Zaun um den Garten;
lustige Vögel wissen den Weg.
Aber, mein Dirnchen, du laß dir raten:
halte dein Schätzchen wohl in der Liebe,
wohl in Respekt!
Mit den zwei Fädlein in Eins gedrehet,
ziehst du am Kleinen Finger ihn nach.
Aufrichtig Herze, doch schweigen können,
früh mit der Sonne, mutig zur Arbeit,
gesunde Glieder, saubere Linnen,
das machet Mädchen und Weibchen wert.
Bin jung gewesen, kann auch mit reden,
und alt geworden, drum gilt mein Wort.
42. Erstes Liebeslied eines Mädchens
Author(s): Eduard Mörike Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif' ich einen süßen Aal?
Greif' ich eine Schlange?
Lieb' is blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
wo greift's hin?
Schon schnellt mir's in Händen!
Ach Jammer! O Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
mir schlüpft's an die Brust.
Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
schießt's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!
Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet dadrinnen,
Es legt sich im Ring.
Gift muß ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!
43. Lied eines Verliebten
Author(s): Eduard Mörike In aller Früh, ach, lang vor Tag,
Weckt mich mein Herz, an dich zu denken,
Da doch gesunde Jugend schlafen mag.
Hell ist mein Aug' um Mitternacht,
Heller als frühe Morgenglocken:
Wann hätt'st du je am Tage mein gedacht?
Wär' ich ein Fischer, stünd' ich auf,
Trüge mein Netz hinab zum Fluße,
Trüg' herzlich froh die Fische zum Verkauf.
In der Mühle, bei Licht, der Mühlerknecht
Tummelt sich, alle Gänge klappern;
So rüstig Treiben wär' mir eben recht!
Weh, aber ich! o armer Tropf!
Muß auf dem Lager mich müßig grämen,
Ein ungeberdig Mutterkind im Kopf.
44. Der Feuerreiter
Author(s): Eduard Mörike Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Nicht geheuer muß es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewühle
Bei der Brücke nach dem Feld!
Horch! das Feuerglöcklein gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle!
Schaut, da sprengt er wütend schier
Durch das Tor, der Feuerreiter,
Auf dem rippendürren Tier,
Als auf einer Feuerleiter!
Querfeldein, durch Qualm und Schwüle,
Rennt er schon und ist am Ort!
Drüben schallt es fort und fort:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg,
Brennt es in der Mühle!
Der so oft den roten Hahn
Meilenweit von fern gerochen,
Mit des heil'gen Kreuzes Span
Freventlich die Glut besprochen -
Weh! dir grinst vom Dachgestühle
Dort der Feind im Höllenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
Hinterm Berg,
Rast er in der Mühle!
Keine Stunde hielt es an,
Bis die Mühle borst in Trümmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewühle
Kehren heim von all dem Graus;
Auch das Glöcklein klinget aus:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg,
Brennt's! -
Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mützen
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern Mähre sitzen:
Feuerreiter, wie so kühle
Reitest du in deinem Grab!
Husch! da fällt's in Asche ab.
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der Mühle!
45. Nixe Binsefuß
Author(s): Eduard Mörike Des Wassermanns sein Töchterlein
tanzt auf dem Eis im Vollmondschein,
sie singt und lachet sonder Scheu
wohl an des Fischers Haus vorbei.
»Ich bin die Jungfer Binsefuß,
und meine Fisch' wohl hüten muß,
meine Fisch' die sind im Kasten,
sie haben kalte Fasten;
von Böhmerglas mein Kasten ist,
da zähl' ich sie zu jeder Fris.
Gelt, Fischermatz? gelt, aler Tropf,
dir will der Winter nicht in Kopf?
Komm mir mit deinen Netzen!
die will ich schön zerfetzen!
Dein Mägdlein zwar ist fromm und gut,
ihr Schatz ein braves Jägerblut.
Drum häng' ich ihr, zum Hochzeitsstrauß,
ein schilfen Kränzlein vor das Haus,
und einen Hecht, von Silber schwer,
er stammt von König Artus her,
ein Zwergen Goldschmids Meisterstück,
wer's hat, dem bringt es eitel Glück:
er läßt sich schuppen Jahr für Jahr,
da sind's fünfhundert Gröschlein baar.
Ade, mein Kind! Ade für heut!
Der Morgenhahn im Dorfe schreit.«
47. Die Geister am Mummelsee
Author(s): Eduard Mörike Vom Berge was kommt dort um Mitternacht spät
mit Fackeln so prächtig herunter?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
Mir klingen die Lieder so munter.
O nein!
so sage, was mag es wohl sein?
Das, was du siehest, ist Totengeleit,
und was du da hörest, sind Klagen.
Dem König, dem Zauberer, gilt es zu Leid,
sie bringen ihn wieder getragen.
O weh!
so sind es die Geister vom See!
Sie schweben herunter in's Mummelseetal -
sie haben die See schon betreten -
sie rühren und netzen den Fuß nicht ein mal -
sie schwirren in leisen Gebeten -
O schau'
am Sarge die glänzende Frau!
Jetzt öffnet der See das grünspiegelnde Tor;
gieb Acht, nun tauchen sie nieder!
Es schwankt eine lebende Treppe hervor,
und drunten schon summen die Lieder.
Hörst du?
sie singen ihn unten zur Ruh.
Die Wasser, wie lieblich sie brennen und glühn!
Sie spielen in grünendem Feuer;
es geisten die Nebel am Ufer dahin,
zum Meere verzieht sich der Weiher
nur still!
ob dort sich nichts rühren will?
Es zuckt in der Mitten - o Himmel! ach hilf!
nun kommen sie wieder, sie kommen!
es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
nur hurtig, die Flucht nur genommen!
Davon!
sie wittern, sie haschen mich schon!
48. Storchenbotschaft
Author(s): Eduard Mörike Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad,
steht hoch auf der Heiden, so frühe, wie spat;
und wenn nur ein Mancher so'n Nachtquartier hätt'!
Ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett.
Und käm' ihm zur Nacht auch was Seltsames vor,
er betet sein Sprüchel und legt sich auf's Ohr;
ein Geistlein, ein Hexlein, so luftige Wicht',
sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht.
Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt:
es knopert am Laden, es winselt der Hund;
nun ziehet mein Schäfer den Riegel - ei schau!
da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau.
Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment,
es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt'!
Was will mir das Ziefer? ist so was erhört?
Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft beschert.
Ihr seid wohl dahinten zu Hause am Rhein?
Ihr habt wohl mein Mädel gebissen in's Bein?
nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr,
sie wünschet den Herzallerliebsten sich her.
Und wünsche daneben die Taufe bestellt:
ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld?
so sagt nur, ich käm' in zwei Tag oder drei,
und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei!
Doch halt! warum stellt ihr zu Zweien euch ein?
es werden doch, hoff' ich, nicht Zwillinge sein?
Da klappern die Störche im lustigsten Ton,
sie nicken und knixen und fliegen davon.
49. Zur Warnung
Author(s): Eduard Mörike Einmal nach einer lustigen Nacht
war ich am Morgen seltsam auf gewacht:
Durst, Wasserscheu, ungleich Geblüt;
dabei gerührt und weichlich im Gemüt,
beinah poetisch, ja, ich bat die Muse um ein Lied.
Sie, mit verstelltem Pathos, spottet' mein,
gab mir den schnöden Bafel ein:
"Es schlägt eine Nachtigall
am Wasserfall;
und ein Vogel ebenfalls,
der schreibt sich Wendehals,
Johann Jakob Wendehals;
der tut tanzen
bei den Pflanzen
ob bemeldten Wasserfalls."
so ging es fort;
mir wurde immer bänger.
Jetzt sprang ich auf: zum Wein!
Der war denn auch mein Retter.
Merkt's euch, ihr tränenreichen Sänger,
im Katzenjammer ruft man keine Götter!
50. Auftrag
Author(s): Eduard Mörike In poetischer Epistel
Ruft ein desperater Wicht:
Lieber Vetter! Vetter Christel!
Warum schreibt Er aber nicht?
Weiß Er doch, es lassen Herzen,
Die die Liebe angeweht,
Ganz und gar nicht mit sich scherzen,
Und nun vollends ein Poet!
Denn ich bin von dem Gelichter,
Dem der Kopf beständig voll;
Bin ich auch nur halb ein Dichter,
Bin ich doch zur Hälfte toll.
Amor hat Ihn mir verpflichtet,
Seinen Lohn weiß Er voraus,
Und der Mund, der Ihm berichtet,
Geht dabei auch leer nicht aus.
Pass' Er denn zur guten Stunde,
Wenn Sein Schatz durch's Lädchen schaut,
Lock' ihr jedes Wort vom Munde,
Das mein Schätzchen ihr vertraut.
Schreib' Er mit dann von dem Mädchen
Ein halb Dutzend Bogen voll,
Und daneben ein Tractätchen,
Wie ich mich verhalten soll, wie ich mich verhalten soll.
52. Selbstgeständniss
Author(s): Eduard Mörike Ich bin meiner Mutter einzig Kind,
und weil die andern ausblieben sind,
was weiß ich wieviel, die Sechs oder Sieben,
ist eben Alles an mir hängen blieben;
Ich hab' müßen die Liebe,
die Treue, die Güte
für ein ganz halb Dutzend allein aufessen,
ich will's mein Lebtag nicht vergessen.
Es hätte mir aber noch wohl mögen frommen,
hätt' ich nur auch Schläg' für Sechse bekommen.
53. Abschied
Author(s): Eduard Mörike Unangeklopft ein Herr tritt Abends bei mir ein:
»Ich habe die Ehr', Ihr Rezensent zu sein!«
Sofort nimmt er das Licht in die Hand,
besieht lang meinen Schatten an der Wand,
rückt nah und fern: »Nun, lieber junger Mann,
sehn Sie doch gefälligst mal Ihre Nas' so von der Seite an!
Sie geben zu, daß das ein Auswuchs is'.«
Das? Alle Wetter - gewiß!
Ei Hasen! ich dachte nicht, all' mein Lebtage nicht,
daß ich so eine Weltsnase führt' im Gesicht!
Der Mann sprach noch Verschied'nes hin und her,
ich weiß, auf meine Ehre, nicht mehr;
meinte vielleicht, ich sollt' ihm beichten.
Zuletzt stand er auf; ich tat ihm leuchten.
Wie wir nun an der Treppe sind,
da geb' ich ihm, ganz frohgesinnt,
einen kleinen Tritt,
nur so von hinten aufs Gesäße mit -
alle Hagel! ward das ein Gerumpel,
ein Gepurzel, ein Gehumpel!
Dergleichen hab' ich nie gesehn, all' mein Lebtage nicht gesehn
einen Menschen so rasch die Trepp' hinabgehn!
