1. Nun bin ich dein
Author(s): Paul Heyse Nun bin ich dein, du aller Blumen Blume,
und sing allein allstund zu deinem Ruhme;
will eifrig sein, mich dir zu weih'n
und deinen Duldertume.
Frau, auserlesen, zu dir steht all mein Hoffen,
mein innerst Wesen ist allezeit dir offen.
Komm, mich zu lösen vom Fluch des Bösen,
der mich so hart betroffen!
Du Stern der See, du Port der Wonnen,
von der im Weh die Wunden Heil gewonnen,
eh' ich vergeh' blick' aus der Höh,
du Königin der Sonnen!
Nie kann versiegen die Fülle deiner Gnaden;
du hilfst zum Siegen dem der mit Schmach beladen.
An dich sich schmiegen,
zu deinen Füßen liegen
heilt allen Harm und Schaden.
Ich leide schwer und wohl verdiente Strafen.
Mir bangt so sehr, bald Todesschlaf zu schlafen.
Tritt du einher, und durch das Meer,
o führe mich zu Hafen.
2. Die du Gott gebarst, du Reine
Author(s): Paul Heyse Die du Gott gebarst, du Reine,
Und alleine uns gelöst aus unsern Ketten,
Mach mich fröhlich, der ich weine,
Denn nur deine Huld und Gnade mag uns retten.
Herrin, ganz zu dir mich wende,
Daß sich ende diese Qual und dieses Grauen,
Daß der Tod mich furchtlos fände,
Und nicht blende mich das Licht der Himmelsauen.
Weil du unbefleckt geboren,
Auserkoren zu des ew'gen Ruhmes Stätten
Wie mich Leiden auch um floren,
Unverloren bin ich doch, willst du mich retten.
3. Nun wandre, Maria
Author(s): Paul Heyse, Ocaña (fl. c1600) Nun wandre, Maria, nun wandre nur fort.
Schon krähen die Hähne, und nah ist der Ort.
Nun wandre, Geliebte, du Kleinod mein,
Und balde wir werden in Bethlehem sein.
Dann ruhest du fein und schlummerst dort.
Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.
Wohl seh ich, Herrin, die Kraft dir schwinden;
Kann deine Schmerzen, ach, kaum verwinden.
Getrost! Wohl finden wir Herberg dort.
Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.
Wär erst bestanden dein Stündlein, Marie,
Die gute Botschaft, gut lohnt ich sie.
Das Eselein hie gäb ich drum fort!
Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.
4. Die ihr schwebet
Author(s): Emanuel von Geibel, Lope Felix de Vega Carpio Die ihr schwebet
Um diese Palmen
In Nacht und Wind,
Ihr heilgen Engel,
Stillet die Wipfel!
Es schlummert mein Kind.
Ihr Palmen von Bethlehem
Im Windesbrausen,
Wie mögt ihr heute
So zornig sausen!
O rauscht nicht also!
Schweiget, neiget
Euch leis und lind;
Stillet die Wipfel!
Es schlummert mein Kind.
Der Himmelsknabe
Duldet Beschwerde,
Ach, wie so müd er ward
Vom Leid der Erde.
Ach nun im Schlaf ihm
Leise gesänftigt
Die Qual zerrinnt,
Stillet die Wipfel!
Es schlummert mein Kind.
Grimmige Kälte
Sauset hernieder,
Womit nur deck ich
Des Kindleins Glieder!
O all ihr Engel,
Die ihr geflügelt
Wandelt im Wind,
Stillet die Wipfel!
Es schlummert mein kind.
5. Führ mich, Kind nach Bethlehem
Author(s): Paul Heyse, Anonymous/Unidentified Artist Führ mich, Kind nach Bethlehem!
Dich, mein Gott, dich will ich sehn.
Wenn geläng' es, wem,
Ohne dich zu dir zu gehn!
Rüttle mich, daß ich erwache,
Rufe mich, so will ich schreiten;
Gieb die Hand mir, mich zu leiten,
Daß ich auf den Weg mich mache.
Daß ich schaue Bethlehem,
Dorten meinen Gott zu sehn.
Wem geläng' es, wem,
Ohne dich zu dir zu gehn!
Von der Sünde schwerem Kranken
Bin ich träg und dumpf beklommen.
Willst du nicht zu Hülfe kommen,
Muß ich straucheln, muß ich schwanken.
Leite mich nach Bethlehem,
Dich, mein Gott, dich will ich sehn.
Wem geläng' es, wem,
Ohne dich zu dir zu gehn!
6. Ach, des Knaben Augen
Author(s): Paul Heyse, Lopez de Ubeda Ach, des Knaben Augen sind
Mir so schön und klar erschienen,
Und ein Etwas strahlt aus ihnen,
Das mein ganzes Herz gewinnt.
Blickt' er doch mit diesen süßen
Augen nach den meinen hin!
Säh er dann sein Bild darin,
Würd' er wohl mich liebend grüßen.
Und so geb' ich ganz mich hin,
Seinen Augen nur zu dienen,
Denn ein Etwas strahlt aus ihnen,
Das mein ganzes Herz gewinnt.
7. Müh'voll komm' ich und beladen
Author(s): Emanuel von Geibel, Don Manuel de Rio Müh'voll komm' ich und beladen,
nimm mich an, du Hort der Gnaden!
Sieh, ich komm' in Tränen heiß
mit demütiger Geberde,
dunkel ganz vom Staub der Erde.
Du nur schaffest, daß ich weiß
wie das Vließ der Lämmer werde.
Tilgen willst du ja den Schaden
dem, der reuig dich umfaßt;
nimm denn, Herr, von mir die Last,
müh'voll komm' ich und beladen.
Laß mich flehend vor dir knie'n,
daß ich über deine Füße
Nardenduft und Tränen gieße,
gleich dem Weib, dem du verzieh'n,
bis die Schuld wie Rauch zerfließe.
Der den Schächer du geladen:
"Heute noch in Edens Bann wirst du sein!"
O nimm mich an, du Hort der Gnaden!
8. Ach, wie lang die Seele schlummert!
Author(s): Emanuel von Geibel, Anonymous/Unidentified Artist Ach, wie lang die Seele schlummert!
Zeit ist's, daß sie sich ermuntre.
Daß man tot sie wähnen dürfte,
also schläft sie schwer und bang,
Seit sie jener Rausch bezwang
Den in Sündengift sie schlürfte.
Doch nun ihrer Sehnsucht Licht
Blendend ihr in's Auge bricht:
Zeit ist's, daß sie sich ermuntre.
Mochte sie gleich taub erscheinen
Bei der Engel süßem Chor:
Lauscht sie doch wohl zag empor,
Hört sie Gott als Kindlein weinen.
Da nach langer Schlummernacht
Solch ein Tag der Gnad' ihr lacht,
Zeit ist's, daß sie sich ermuntre.
9. Herr, was trägt der Boden hier
Author(s): Paul Heyse, Anonymous/Unidentified Artist Herr, was trägt der Boden hier,
Den du tränkst so bitterlich?
»Dornen, liebes Herz, für mich,
Und für dich der Blumen Zier.«
Ach, wo solche Bäche rinnen,
Wird ein Garten da gedeihn?
»Ja, und wisse! Kränzelein,
Gar verschiedne, flicht man drinnen.«
O mein Herr, zu wessen Zier
Windet man die Kränze? sprich!
»Die von Dornen sind für mich,
Die von Blumen reich ich dir.«
10. Wunden trägst du mein Geliebter
Author(s): Emanuel von Geibel, José de Valdivielso Wunden trägst du mein Geliebter,
Und sie schmerzen dich;
Trüg' ich sie statt deiner, ich!
Herr, wer wagt' es so zu färben
Deine Stirn mit Blut und Schweiß?
"Diese Male sind der Preis,
Dich, o Seele, zu erwerben.
An den Wunden muß ich sterben,
Weil ich dich geliebt so heiß."
Könnt' ich, Herr, für dich sie tragen,
Da es Todeswunden sind.
"Wenn dies Leid dich rührt, mein Kind,
Magst du Lebenswunden sagen:
Ihrer keine ward geschlagen,
Draus für dich nicht Leben rinnt."
Ach, wie mir in Herz und Sinnen
Deine Qual so wehe tut!
"Härtres noch mit treuem Mut
Trüg' ich froh, dich zu gewinnen;
Denn nur der weiß recht zu minnen,
Der da stirbt vor Liebesglut."
Wunden trägst du mein Geliebter,
Und sie schmerzen dich;
Trüg' ich sie statt deiner, ich!
